Verzeihen

In meinen Beratungen stelle ich fest, dass Verzeihen für viele Menschen ein zentrales Thema ist. Häufig ist der Wille da und es fehlen noch einige Hinweise oder Erklärungen meinerseits, um einem Menschen verzeihen zu können. Immer bedeutet es auch, dass jemand verletzt wurde, weil aus seiner Sicht etwas unfair oder ungerecht war. Oft fühlt er sich übergangen, unverstanden, verurteilt, nicht wahrgenommen, hintergangen, betrogen, ungeliebt und vieles mehr. Es ist nicht das Ziel, so zu tun als hätte es keine Verletzung gegeben, es ist vielmehr die Aufgabe, sich aus der verletzenden Verbindung herauszulösen. Wenn man in der Verletzung bleibt, ist das wie eine offene Rechnung, die nicht beglichen wurde. Offen bezieht sich auf die energetische Verbindung, die viel Energie schluckt und nicht abgeschlossen ist. Gedanken geprägt von unguten Gefühlen kreisen immer wieder um die unbereinigte, verletzende Situation.

„Wie du mir - so ich dir“ ist eine Haltung, die aus Sicht der Betroffenen die offene Rechnung begleicht, denn sie meinen, sie sei vermeintlich abgeschlossen. Sie gehen von der Annahme aus, dass sie der ungerechten Handlung, die ihnen widerfahren ist, eine ebenso ungerechte Handlung entgegen gesetzt haben. Der Antrieb für diese Haltung ist, nichts offen zu lassen. „Gleiches mit Gleichem vergelten“ gehört auch in diese Geisteshaltung. Also strebt der Mensch unwissentlich nach abgeschlossenen oder beglichenen Rechnungen oder anders ausgedrückt, er strebt nach Ausgeglichenheit, nach Ausgleich.

Je reifer und bewusster er ist, desto mehr kann er den Weg zu diesem Ziel veredeln. In Liebe eine offene Rechnung begleichen oder ausgleichen, ist die höchste Form von Reife und spirituellem Bewusstsein.

Bis der Mensch dies erkennt, begnügt er sich mit den vermeintlich abgeschlossenen Rechnungen, die ihn unweigerlich in die nächste Runde führen. Er wird so lange mit einer Gegenpartei konfrontiert, bis eine der beteiligten Parteien aus dem Spiel aussteigt. Meist ist es nicht die Person, die verletzt hat, sondern diejenige, die Unrecht erdulden musste. Aussteigen heisst, trotz des erlittenen Unrechtes der andern Person verzeihen zu können und als nächsten und letzten Schritt ihr auch Licht und Liebe entgegenbringen zu können. In dem Moment gibt es keine offene Rechnung mehr, denn sie wurde mit Liebe beglichen. Ein Ausgleich hat stattgefunden, diesmal aber mit einer vollkommen andern Geisteshaltung.

Meist ist der Weg bis dahin anstrengend und es fällt einem nicht einfach, das erlittene Unrecht locker loszulassen. Wut, Enttäuschung, Hass, Ohnmacht um einige mögliche Gefühle zu nennen, können hochkommen und erschweren den Vorsatz der bedingungslosen Liebe in die Tat umzusetzen. Diese Gefühle sollen auch nicht unterdrückt werden. Sie wurden vom Unterbewusstsein in der Zeit des erlittenen Unrechtes gespeichert. Die Gefühle sollen zugelassen werden, aber nicht mehr mit Gedanken bestärkt und bestätigt werden. Die Gefühle können so ausgehungert werden, weil sie nicht mehr genährt werden. (Näher gehe ich auf dieses Aushungern oder Erlösen im Buch „Die Akasha-Chronik“ ein.) Diese Gefühle müssen erlöst werden, sonst bleibt die Rechnung immer offen, denn man bleibt als Opfer mit dem Täter emotional in Verbindung.

Wenn wir beim Thema Verzeihen sind, dürfen wir nicht vergessen, dass dieselben Regeln auch für einen selbst gelten. Das heisst, man muss auch lernen, sich selbst zu verzeihen. Sich verzeihen können und sich selbst in die bedingungslose Liebe mit einzubeziehen, ist genauso wichtig, wie jemandem zu verzeihen. Wenn man sich selbst für etwas, das man getan oder nicht getan hat, nicht verzeihen kann, hat man eine offene Rechnung mit sich selbst. Es entsteht genau dasselbe Ungleichgewicht, wie wenn man mit einer andern Person im Unreinen ist.

Oft werden solche Gefühle verdrängt und man lässt sie aus Sicherheitsgründen nicht aus dem Unterbewusstsein hochkommen. Blicken Sie kurz zurück und bleiben Sie einen Moment in diesen Situationen oder Erinnerungen, die Ihnen ein ungutes Gefühl zurücklassen. Wenn Sie mit Ihrem Handeln oder Ihren damaligen Gefühlen nicht einverstanden sind, erlösen Sie sich aus der damaligen Situation, indem Sie sich verzeihen. Geben Sie liebevolle Gedanken in die Situation und wenn Sie möchten, stellen Sie sich die Situation so vor, wie Sie sich gerne verhalten hätten oder wie Sie sich heute verhalten würden. So, dass die Situation im Nachhinein für alle Beteiligten stimmig ist. Seien Sie glücklich, dass Sie in der Zwischenzeit reifer und bewusster geworden sind, um sich anders zu verhalten als damals. Schicken Sie allen beteiligten Personen Licht und Liebe, einschliesslich sich selbst. Sie heilen so nachträglich alte Verletzungen für sich und für Personen, die Sie verletzt hatten. Die Situation ist bereinigt, wenn Sie ohne grossen Aufwand, jedes Mal wenn Sie an die damalige Situation denken, liebevolle Gedanken hineingeben können. Wenn Sie sich lieben können, können Sie auch andere lieben. Wenn Sie ihr Herz einmal geöffnet haben, bleibt es offen und verströmt Licht und Liebe.

Mengiarda Darms, im Oktober 2011


[ Reproduktion erlaubt, sofern Quellenangabe ] 

Zurück